Anmerkungen des Komponisten:

Der Glaube an eine ideale, organische Einheit war ein wesentlicher Bestandteil des Denkens des 19. Jahrhunderts, und ich spüre seine Präsenz im Klang eines romantischen Orchesters. Als ich gebeten wurde, ein Stück für ein romantisches Orchester zu schreiben, hatte ich sofort das Gefühl, dass sich mein Stück mit solchen Ideen auseinandersetzen müsste. Wagners Begriff der "Unendlichen Melodie" ist viel diskutiert worden, aber die Betonung liegt oft auf dem Wort "unendlich", ohne zu hinterfragen, was genau Wagner mit "Melodie" meinte. Es war nicht einfach die Oberstimme in einer musikalischen Textur, sondern vielmehr ein Wort für eine Musik, die aus der organischen Einheit der Natur hervorging, ungebremst durch künstliche formale Konventionen. Die "Unendliche Melodie" scheint mir dann wirklich ein Manifest über die Ewigkeit der Natur zu sein.

In den letzten Jahren scheint diese Idee eine Wiederauferstehung zu erleben, vor allem in der Musik der Spektralisten. Gérard Grisey sprach von einer musikalischen Zeit der Insekten, Menschen und Wale. Mein Stück verwendet stark verlangsamte Pirolgesänge, die von menschlichen gregorianischen Gesängen durchsetzt sind, und strebt eine organische Einheit zwischen der Musik dieser Arten an. Auch die Form des Stücks ist "unendlich" (wie viele von Wagners Opern!), da sie einem ewigen Prozess des Herauszooms folgt. Das Material, das in den ersten zwei Minuten zu hören ist, wird kontinuierlich komprimiert, bis es am Ende des Stücks einen halben Takt einnimmt. Doch (wie bei der Einheit von Insekten-, Menschen- und Walmusik) werden Melodien, die am Anfang viel zu langsam waren, um sie zu verstehen, am Ende verständlich, und es wird klar, dass die Musik tatsächlich auf mehreren verschiedenen Ebenen gleichzeitig stattfindet. Daher auch die vielen "Unendlichen Melodien".

Duration: 10'

Instrumentation:                                                                                        Großes Orchestra (2(I =picc).2.2(I=Es.2. - 4.3.3.- pk.schlag2):glsp/vib/tam-t/hbecken/holzbl, - klv - hfe - streicher 14.12.10.8.4.)

Uraufführung: Hamburger Symphoniker, HfMT Hamburg, 14.11.2024.

unendliche melodien (2024)